Impfen gegen die "Schweinegrippe"?

Beitrag aufgrund aktueller globaler Bedrohungslage
04 Nov 2009
Impfen gegen die "Schweinegrippe"?

Die unterschiedlichsten Stellungnahmen in den Medien über das Für und Wider der Impfung gegen die sog. Schweinegrippe haben viele Menschen stark verunsichert. Die in der Deutschen Gesellschaft für Allgemeinmedizin und Familienmedizin (DEGAM) organisierten Autoren der nachfolgenden Informationen versuchen, mit Fakten aufzuklären (Stand 26. Oktober 2009).

(Anm. der Redaktion: Der Artikel hat nur bedingt mit dem Südwesten der USA zu tun, ist aber aufgrund der globalen und akuten Bedrohung für alle interessant)

  • Die sich seit dem Frühjahr dieses Jahres weltweit ausbreitende Neue Grippe (sog. Schweinegrippe) ist eine ansteckende, aber in aller Regel harmlose und milde verlaufende, Virusinfektion. Betroffen sind in erster Linie Kinder und jüngere Erwachsene (darunter auch Schwangere). Ältere Personen über 60 Jahre scheinen hingegen einen gewissen Schutz vor der Infektion zu haben (wahrscheinlich durch frühere Kontakte mit dem Virus).
  • Es gibt bislang in keinem Land der Erde Hinweise darauf, dass sich das Virus im Sinne einer größeren Gefährlichkeit verändert. Oft bemühte Vergleiche zwischen der Neuen Influenza und der Spanischen Grippe von 1918 entbehren jeder Grundlage.
  • Weltweit sind bislang rund 5.200 Menschen an der Neuen Grippe verstorben (in Europa 270, in Deutschland drei). Ein großer Teil dieser Menschen litt gleichzeitig an schweren, chronischen Grunderkrankungen. Zum Vergleich: Alleine in Deutschland sterben jedes Jahr zwischen 5.000 und 11.000 Personen an der "normalen" (sog. saisonalen) Grippe.
  • Wissenschaftlicher Standard bez. Wirksamkeit und Verträglichkeit ist bei Grippe-Impfstoffen ein Impfstoff aus Virusteilen ("Spaltimpfstoff") ohne Wirkverstärker – so wie die jährlich gegen die saisonale Grippe verabreichten Präparate. Die z.B. in den USA, in China oder Australien verfügbaren Impfstoffe gegen die Neue Grippe entsprechen diesem Standard, aber keines der drei in Europa zugelassenen Präparate: - Pandemrix® - enthält Teile des Virus und zusätzlich Wirkverstärker [sog. Adjuvantien]* - Focetria® - enthält Teile des Virus und zusätzlich Wirkverstärker [sog. Adjuvantien]* sowie - Celvapan® - enthält keine Wirkverstärker, ist aber aus dem ganzen Virus hergestellt*. (* Wissenschaftliche Belege zeigen, dass weder Wirkverstärker noch das ganze Virus für die Wirksamkeit von Grippeimpfstoffen nötig sind, jedoch die Häufigkeit von Nebenwirkungen erhöhen.)
  • In Deutschland steht ab 26. Oktober ausschließlich Pandemrix® zur Verfügung, von dem die zuständigen Bundesländer 50 Millionen Dosen gekauft haben. Die meist auf den Impfarm beschränkten Störwirkungen (z.B. Rötung/Schmerz an der Einstichstelle, aber auch Gliederschmerzen, erhöhte Temperaturen) treten bei diesem Impfstoff im Vergleich zum üblichen Grippeimpfstoff deutlich häufiger auf. Dies alleine wäre allerdings kein ausreichender Grund zur Sorge. Skepsis ist jedoch angebracht, weil Pandemrix® nur an einigen Tausend Personen (nicht bei Schwangeren und nur bei sehr wenigen Kindern) getestet wurde – im Verhältnis zu der geplanten Anwendung an vielen Millionen Menschen eine unzureichende Zahl, um seltene schwere Nebenwirkungen zu erkennen.
  • Die in Deutschland für Impfempfehlungen zuständige Ständige Impfkommission am Robert-Koch-Institut (STIKO) rät zur Impfung gegen die Neue Influenza zunächst nur Beschäftigten im Gesundheitswesen sowie chronisch Kranken ab dem Alter von 6 Monaten (z.B. mit Asthma, Herz- und Nierenschwäche, Krebs, HIV-Infektion). Zur Frage, ob die übrige Bevölkerung ebenfalls geimpft werden soll, will sich die Kommission "spätestens 4 Wochen nach dem ersten Einsatz der Impfstoffe" äußern, "falls … neue Erkenntnisse …dies erfordern". Schwangere sollten hingegen mit einem Impfstoff geimpft werden, der dem o.g. wissenschaftlichen Standard entspricht. Angeblich soll dieser Spalt-Impfstoff ohne Wirkverstärker Mitte November in Deutschland verfügbar sein – allerdings wohl nur für Schwangere.
  • Warum in Deutschland nicht wie z.B. in den USA Impfstoffe nach dem wissenschaftlichen Standard zugelassen und verfügbar sind, bleibt das Geheimnis der verantwortlichen Politiker und deren medizinischen Berater. Trotz mannigfaltiger Begründungsversuche sind weder medizinische noch andere Argumente dafür erkennbar. Solange sich diese Situation nicht ändert, können die Autoren den z.Zt. in Deutschland erhältlichen Impfstoff Pandemrix® nicht empfehlen.
  • Ungeachtet dieser Einstellung empfehlen wir die Impfung gegen die "normale" (saisonale) Grippe allen dafür in Frage kommenden Personengruppen (z.B. alten Menschen, chronisch Kranken unabhängig vom Alter, Kindern zwischen 6 Monaten und 5 Jahren).

Autoren: Prof. Dr. med. Michael M. Kochen, MPH, FRCGP, Abt. Allgemeinmedizin, Universitätsmedizin Göttingen Dr. med. Günther Egidi, Bremen und Abt. Allgemeinmedizin, Universitätsmedizin Göttingen Dr. med. Michael Mühlenfeld, Bremen und Abt. Allgemeinmedizin, Universitätsmedizin Göttingen Dr. med. Uwe Popert, Kassel und Abt. Allgemeinmedizin, Universitätsmedizin Göttingen (alle 4 Autoren sind praktizierende Hausärzte und ausgesprochene Impfbefürworter

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